(…) Die oberen Mauerteile fangen an herunterzustürzen. (…) Fetzen (…) fallen wie in Zeitlupe zu Boden. Bald sind nur noch dort und an der Decke Ziegelreste festzustellen. In dem um die gewölbte Grundfläche erweiterten Saal liegen die Bruchstücke der abgerissenen Wand nun meterhoch aufgeschichtet. (…) übergießt den Schutthaufen mit flüssigem Mörtel aus der Scheibtruhe. Als der Mörtel fest wird, entsteht eine Art Skulptur von fragmenthaften Charakter. Zwei (…) tragen nacheinander die beiden als Längsbalken dienenden Stämme an die vorgesehene Stelle, zwei andere verbinden die Längsbalken mit Holzstücken, die sie durch die Teilung eines Baumstammes gewonnen haben. Um einen tragfähigen Rahmen für die Errichtung (…) zu bilden, müssen die Enden aller vier Balken fugenlos verbunden werden; dazu wiederum ist es erforderlich, diese Enden mit einer Säge abzuschrägen.
Sie schleppen die einzelnen Stämme auf das Feld hinter der Baustelle, wo sie sie dann in Stücke zersägen. Die zersägten Stämme sollen als Balken dienen. Sie müssen daher genau die Länge haben, welche der beabsichtigten Höhe (…) entspricht. Das blockartige Gebilde steht dann in der Mitte, als unbestrittenes Zentrum. Der Platz verbindet sich mit dem Quader zu einem (…) Ensemble aus Fläche und Erhebung. Das (…) Ensemble korrespondiert mit seinem unmittelbaren Gegenüber, dem segmentartigen Vorbau aus Fertigbeton. Eine Formenvielfalt. Wie Grapefruits und Orangen. Auch Zitronen.
Erst wenn der Abend hereinbricht, wird alles in klarem Licht erscheinen. Dann soll der Mond aufgehen und den Raum bis in den hintersten Winkel ausleuchten. Was sich dann noch zu verbergen trachtet, kann nicht berücksichtigt werden. Kokon und Klang bilden eine Haut für das Dickicht (…). An seinen Rändern sprießen goldene Farne, auch solche, die im Sonnenlicht kupferfarben schimmern. Die goldenen und kupferfarbenen Farne ersetzen einen Zaun um das ganze Plateau.
aus: Robert Stähr, »Karte«, Edition Selene, Wien 2003
Den lehmigen Boden durchziehen Risse, die auf eine lang anhaltende Dürre hinweisen. Zwischen den »Erhebungen« (…) liegen Einbuchtungen von geringer Tiefe, die an flache Krater erinnern. Sie haben die Umrisse von Tellern unterschiedlich großen Durchmessers. Kleine (…) Klümpchen haften daran. (…) Erhebungen, Formationen verschiedener Gestalt (…) die Oberfläche (…) ist rauh und zerklüftet; (…) Risse durchziehen sie – vertikal, horizontal und quer. Trockener, feinkörniger Sand bedeckt den Boden, umspielt die Sockel, der (…) Blöcke. Auf weiten Flächen wirkt er wie verwischt, seltsam unklar. An bestimmten Stellen bilden (…) Fragmente und (…) Anhäufungen eine Art Hybride, deren Umrisse bizarr anmuten. Sie verschwinden mit den von Zeit zu Zeit entstehenden und wieder verschwindenden Luftspiegelungen.
aus: Robert Stähr, »An dieser Stelle«, Textsammlung Zweierlein (Mischformen), 2002 / 03
Bruchteile (…), auch (…) Splitter ragen (…) millimeterhoch aus dem Boden. In deren Umgebung haben sich Vertiefungen (…) gebildet, breite, aber flache Mulden wie auch schmale, längliche »Einschnitte«, die den Charakter mikroskopisch kleiner Gräben besitzen. Hauchdünne Rinnsale, eigentlich Wasseradern, durchziehen erdbraune Bodenzonen; sie bilden ein Netz und weichen den Grund zunehmend auf. An den aufgeweichten Stellen verbreitert sich das Rinnsal zunächst. Wenn sie austrocknen, fallen die Klumpen in kleinere Teile auseinander, einige zerbröseln regelrecht. Die Brösel zerfallen zu Staub und werden vom Regen fortgespült. Wind und Regen fegen, durch kein Hindernis gebremst, über das Land hinweg.
ISBN: 978-3-939723-11-0
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